Jobsharing ist seit über 40 Jahren Teil meines Lebens. Was damals mit ersten Ideen und Fragen begann, hat mich über Studium, Forschung, Projekte und viele Begegnungen bis heute begleitet. Mit der Reihe „Meine Reise mit Jobsharing“ möchte ich meine Erfahrungen, Erinnerungen und Gedanken teilen – Schritt für Schritt, Post für Post. Vielleicht entdeckst Du dabei auch Parallelen zu Deiner eigenen beruflichen Reise oder bekommst neue Impulse für die Arbeitswelt von heute. Hier findest Du alle Beiträge in der richtigen Reihenfolge – beginnend mit Post 1. So kannst Du jederzeit einsteigen, auch wenn Du zuerst bei einem späteren Beitrag gelandet bist. Die Posts sind hier nur als Texte veröffentlicht, die Bilder und zusätzlichen Eindrücke gibt es auf meinem LinkedIn-Profil. Ich freue mich, wenn Du mich auf dieser Reise begleitest!
📖 Eine Reise beginnt…
Manchmal stößt man während des Studiums auf ein Thema, das einen nicht mehr loslässt. So war es bei mir – vor über 40 Jahren.
Damals hörte ich zum ersten Mal von einer ungewöhnlichen Idee: Jobsharing. Zwei Menschen teilen sich eine Stelle – mit gleicher Verantwortung, gemeinsamem Wissen, und neuen Chancen für Flexibilität. Für viele klang das fremd, fast experimentell. Mich hat es sofort begeistert. Aus dieser ersten Begegnung entstand meine Leidenschaft: Ich schrieb nicht nur eine Projektarbeit, sondern auch meine Diplomarbeit darüber. Und aus dieser Neugier entwickelte sich eine berufliche Reise, die mich bis heute begleitet.
🗺️ In den nächsten Wochen nehme ich Euch mit auf meine persönliche Routemap durch 40 Jahre Jobsharing: Von den ersten Schritten an der Uni, über europäische Kooperationen bis hin zu meiner heutigen Arbeit als Beraterin, Coach und Autorin.
Ich freue mich darauf, diese Stationen mit Euch zu teilen – und gemeinsam zu diskutieren, was Jobsharing für die Arbeitswelt von morgen bedeutet. ✨
📚 Meine Reise mit Jobsharing – Teil 1
Es begann mit einer Idee, die mich während meines Studiums nicht mehr losließ: Jobsharing.
Je mehr ich mich damit beschäftigte, desto klarer wurde mir: Hier steckt eine Antwort auf Fragen, die viele Menschen damals bewegten – und die heute aktueller sind als je zuvor. Zuerst schrieb ich eine Arbeit im Projekt: Regionalentwicklung im Nord-West-Raum mit dem Titel „Alternative und/oder ergänzende Maßnahmen zur Lösung regionaler Arbeitsmarktungleichheiten“ darüber. Doch das reichte mir nicht. Ich wollte tiefer einsteigen, das Thema aus allen Blickwinkeln beleuchten. So entstand meine Diplomarbeit: Jobsharing – rechtliche, einzel- und gesamtwirtschaftliche Aspekte, die ich voller Leidenschaft über Monate hinweg entwickelte.
Das hier ist das Deckblatt dieser Arbeit (überarbeitet) – mein ganz persönlicher „Startpunkt“. Ein Dokument aus einer Zeit, in der Jobsharing in Deutschland noch kaum bekannt war. Für mich aber war es der Beginn einer langen Reise, die mich nie losgelassen hat.
✨ Im nächsten Post erzähle ich Euch zunächst, wie und wo diese Arbeitsform Jobsharing entstanden ist.
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🌎 Meine Reise mit Jobsharing – Teil 2: Die Wurzeln
Bevor ich mehr von meiner eigenen Arbeit erzähle, möchte ich einen Schritt zurückgehen – zur Entstehungsgeschichte des Jobsharings. Denn diese Arbeitsform hat ihre Wurzeln nicht in Deutschland, sondern in den USA.
✨ Erste Ansätze finden sich bereits 1937: In einer Dosenfabrik in Carmel (Kalifornien) bat ein Angestellter, seine Vollzeitstelle mit einem Kollegen zu teilen. Die Anfrage wurde damals abgelehnt – die Gründe sind unbekannt.
💡 Den wirklichen Durchbruch erlebte die Idee Ende der 1960er Jahre: Junge Arbeitnehmerinnen in Kalifornien wollten keine Vollzeitstellen übernehmen – nicht aus Angst um den Arbeitsplatz, sondern aus dem Wunsch nach mehr Flexibilität. So teilten sie sich Jobs mit gleicher Verantwortung und schufen damit die Basis des modernen Jobsharing.
Von dort aus entwickelte sich das Modell Schritt für Schritt weiter:
1978: Der „Part-Time Career Employment Act“ ermöglichte Jobsharing in der US-Bundesverwaltung. Der Öffentliche Dienst in den USA bot damals den Erwerbstätigen das Jobsharing an, durch diese Arbeitszeitgestaltung erstklassige Kräfte ohne besondere Kosten zu bekommen.
1981: Mit dem „Reduced Worktime Act“ erhielten Arbeitnehmende das Recht, Jobsharing-Modelle in Anspruch zu nehmen.
1990er Jahre :Präsident Bill Clinton forderte die Exekutivbehörden in mehreren Memoranden auf, familienfreundliche Arbeitsregelungen wie Teilzeit und Jobsharing systematisch zu fördern.
Auch die Privatwirtschaft experimentierte – unterstützt von Forschungsteams wie New Ways to Work in San Francisco. Zudem gibt es bis heute dort Institutionen, die besondere Partnersuchkarteien führen
🔜 Im nächsten Post nehme ich Euch mit in diese Zeit der ersten praktischen Erprobungen – und wie daraus eine Bewegung entstand, die bis heute wirkt.
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🌎 Meine Reise mit Jobsharing – Teil 3: Erste Ergebnisse & Verbreitung in den USA
Nachdem die Grundlagen gelegt waren, stellte sich bald die Frage: Funktioniert Jobsharing auch in der Praxis?
Eine Untersuchung von New Ways to Work in San Francisco (1978) brachte überraschende Ergebnisse:
77 % der Tandems waren Frauen.
Am stärksten vertreten war die Altersgruppe 30–40 Jahre (49 %).
Fast 90 % verfügten über einen Collegeabschluss (Fachhochschulabschluss).
Jobsharing war in vielen Bereichen vertreten: Lehrkräfte (26 %), Sachbearbeitung (25 %), Büro (15 %), Sozialarbeit & Beratung (13 %), Wissenschaft & Technik (9 %).
Bemerkenswert: Über ein Drittel dieser Stellen waren Führungsfunktionen.
👉 Damit zeigte sich schon damals: Jobsharing ist kein „Nischenmodell“ für Teilzeitkräfte, sondern eine echte Alternative – auch auf Leitungsebene.
Auch im Öffentlichen Dienst wurden positive Erfahrungen gesammelt: mehr Leistung, weniger Fehlzeiten und eine höhere Zufriedenheit. Besonders verbreitet war Jobsharing in Schulen, im Sozialwesen und in Krankenhäusern.
Parallel entstanden Institutionen und Beratungsangebote, die Jobsharing förderten:
New Ways to Work (San Francisco) und das Lansing Women’s Bureau (Michigan) führten spezielle Partnervermittlungen.
Ab den 1990er Jahren entwickelte die Beraterin Pat Katepoo ihr Job Sharing Proposal Package. Damit konnten Beschäftigte ihre Arbeitgeber strukturiert von Jobsharing überzeugen – ein Werkzeug, das weltweit genutzt wurde.
✨ Die Botschaft: Jobsharing hat sich in den USA etabliert, wurde wissenschaftlich untersucht, praktisch erprobt – und durch engagierte Persönlichkeiten immer weiter vorangetrieben.
🔜 Im nächsten Post erzähle ich, wie Jobsharing von den USA nach Europa – und schließlich nach Deutschland – kam.
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🌍 Meine Reise mit Jobsharing – Teil 4: Europa
Nachdem Jobsharing in den USA bereits erfolgreich praktiziert wurde, fand diese Arbeitszeitform mit der Zeit auch in Europa Verbreitung.
Norwegen
Hier wird Jobsharing seit vielen Jahren mit großem Erfolg in verschiedenen Berufen umgesetzt – etwa bei Rechtsanwälte:innen, Ingenieur:innen und Sekretärinnen.
England
Bei General Electric in Coventry startete die Personalabteilung ein Programm, das 60 Jugendlichen die Möglichkeit bot, im Jobsharing-Modell 30 neu geschaffene Ausbildungsplätze zu besetzen.
Frankreich
Die sozialistische Regierung kündigte im Herbst 1981 ein Programm zur Förderung freiwilliger Teilzeitarbeit im Öffentlichen Dienst an. Ziel: verschiedene Arbeitszeitmodelle, darunter auch Jobsharing, bei gleichbleibender sozialer Absicherung und Beschäftigungssicherheit.
Ende März 1992 wurde per Verordnung festgelegt, dass Beschäftigte auf Antrag Teilzeitarbeit mit 50–90 % der Normalarbeitszeit im Öffentlichen Dienst ausüben dürfen.
Schweiz
1983 wurde in einem Textverarbeitungs-Sekretariat erstmals ein Jobsharing-Modell eingeführt – mit Erfolg. Auch die Ciba-Geigy in Basel stellte fest: Jobsharing bringt Vorteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen.
Bundesrepublik Deutschland
Dr. B. Teriet (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) stellte 1977 das Jobsharing-Modell vor.
Einige Firmen setzten es schon bald um:
- Beim WDR in Köln arbeiteten ab 1980 zwei Kameraleute im Jobsharing.
- Vorwerk in Wuppertal beschäftigte Jobsharer:innen.
- Seit 1984 finden wir Jobsharing auch in der Pressestelle der Universität Oldenburg.
Besonderes Aufsehen erregte 1980 ein kommentierter Mustervertrag des Arbeitsrings der Arbeitgeberverbände der Deutschen Chemischen Industrie. Während Arbeitgeber darin Chancen sahen, lehnte der DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) den Vertrag ab und forderte zunächst Modellversuche, um praktische Erfahrungen zu sammeln.
🔜 Im nächsten Post stelle ich Euch die weitere Entwicklung und verschiedene Jobsharing-Musterverträge vor.